Energiekosten

Energiekosten – Elastische Betrachtung der harten Realität

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schlägt aktuell auf den Energiemärkten der Welt durch. Schneller und stärker als vor dem Krieg erwartet, sind die aktuellen Preise für Öl und Gas gestiegen, und es bestehen große Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der Energiekosten. Für Geschäftsführungen und Management kann das nicht nur operativ eine große Herausforderung darstellen. Auch bei Stakeholdern wie z. B. Gesellschaftern und Finanzierern kann die Entwicklung zu Verunsicherung führen. Die möglichen Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung und Perspektiven, konkret auch auf die Entwicklung von Kosten und Ertrag, müssen auch für diese transparent analysiert und kommuniziert werden.

Rohölpreisentwicklung von UK Brent bis 2022
Rohoelpreisentwicklung_24.03.2022
In US-Dollar je Barrel

Denn während Marktveränderungen wie die aus steigenden Energiepreisen folgenden Chancen für z. B. Windkraft-Hersteller eher mittel- und langfristig Auswirkungen haben, können sie kurzfristig viele Unternehmen vor erhebliche – teils existenzielle – Herausforderungen stellen.

Zeit, die Auswirkungen von Energiepreisentwicklung und -schocks auf das eigene Geschäft zu untersuchen.

Allein auf die eigenen Energie-Verbrauchsmengen zu gucken und mit den Preisänderungen von Strom, Gas,  Öl und Treibstoffen zu multiplizieren, reicht zur Analyse und Bewertung der dynamischen Energiepreiselastizität (das ist die Abhängigkeit aller GuV- und Bilanzpositionen im Zeitverlauf von den Energiepreisen) des eigenen Geschäfts nicht aus.  

An dieser Stelle lohnt sich der Blick in die Gewinn- und Verlustrechnung am Beispiel eines Unternehmens in den Bereichen Gießerei und Stahlbau

Bei einer Gesamtleistung von ca. 39 Mio. EUR und einem Ergebnis vor Steuern von ca. 0,9 Mio. EUR (2,5%) machten Gas- und Stromkosten zusammen ca. 1,0 Mio. EUR aus, also rund 2,6 % der Gesamtleistung.

Eine Erhöhung der Preise um ca. 68% entsprechend dem Anstieg des Ölpreises vom 1.12.21 bis zum 21.3.22 würde die Energiekosten entsprechend um ca. 0,7 Mio. EUR erhöhen.  

Das rohstoffintensive Unternehmen verbrauchte rund 6.600 to Stahl p.a. Bei rund 18 GJ Gasverbrauch pro produzierter Tonne Rohstahl und Industriekosten von ca. 2,50 EUR / GJ hatte das Unternehmen kalkulatorisch 296 TEUR für die Energie im gekauften Stahl aufgewendet. Die bislang nicht eingepreiste aktuelle Energiekostenerhöhung führt über die Energie im Stahl zu Mehrkosten von 200 TEUR. Insgesamt ergab sich nach Berücksichtigung weiterer energieintensiver Kosten (Buntmetalle, Treibstoffe, Ausgangsfrachten) und des Energieträgermixes des Unternehmens für 2021, dass ca. 4,7% der Kosten direkte oder indirekte Energiekosten waren.

Auf Basis des Energiepreisniveaus von 2021 ergab sich damit ein Energiepreiselastizität des Unternehmens von 0,05% der Gesamtkosten je Prozentpunkt Energiekostenveränderung. Eine Kostenerhöhung von durchschnittlich 70% des Energieträgermixes würde kalkulatorisch zu einer Erhöhung der Kosten um 3,2% der Gesamtleistung (ca. 1,3 Mio. EUR) und damit zu einem Verlust führen.

Eine Kostenreduzierung der Energiekosten würde entsprechend zu einer Ergebnisverbesserung führen.

Die analoge Analyse der relevanten Bilanzpositionen ergab für das Working Capital des Unternehmens eine Energiepreiselastizität von ca. 0,08%. Die Erhöhung der Energiepreise um 70% würde hier sukzessive zu einem zusätzlichen Kapitalbedarf zur Finanzierung des Working Capital von ca. 0,7 Mio. EUR führen, was in diesem Fall ca. 2,7% der Bilanzsumme ausmachte.

An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage, wie sich dieses kalkulatorische Risiko tatsächlich auswirken wird und mit welchen Handlungsstrategien es gemanaget werden kann.

Hierfür ist zuerst entscheidend, wie schnell Energiekostenerhöhungen realisiert werden müssen, und ob sie auf die Kunden über Preiserhöhungen abgewälzt werden können. Da in dem beschriebenen Fall das Unternehmen die Energiepreise für Gas und Strom bis Ende 2022 bereits kontrahiert hatte, besteht hier kein kurzfristiges Risiko. Ebenso waren die Rohstoffe (Stahl, Buntmetalle) für bestehende Aufträge bereits nahezu vollständig kontrahiert. Das verbleibende Restrisiko aus erhöhten Frachtraten und Treibstoffpreisen für die Erfüllung bestehender Aufträge konnte das Unternehmen tragen. Aus der zeitlichen Reichweite der Einkaufs- und Verkaufskontrakte des Unternehmens ergab sich somit eine deutlich geringere Risikoposition, als die Betrachtung der Energiepreiselastizität alleine nahegelegt hätte.

Um das Ertrags- und Liquiditätsrisiko, das sich aus der Volatilität der Energiepreise ergibt, zu bewerten und ein angemessenes Risikomanagement zu installieren, muss man daher zuerst die Energiepreiselastizität und die Risikoposition, die sich aus den bestehenden Verträgen ergibt, analysieren. In Abhängigkeit von dem konkreten Geschäftsmodell und der Höhe des Risikos, können dies kurzfristig und langfristig ganz unterschiedliche Vorgehen sein.

Eine Möglichkeit wäre die Risikovermeidung durch Reduzierung der direkten und indirekten Energiekosten. Noch langfristiger könnte der Energieeinkauf durch eigene Erzeugung reduziert werden.

Alternativ und kurzfristiger könnte die Versicherung des Risikos durch Energiederivate eine Option sein.

Beispielhafte Preiselastizität des Energiekostenanteils im Zeitverlauf
Preiselastizitaet_Energiekosten

Das aktuelle Marktumfeld bietet zwar keine perfekte Sofortlösung. Durch Erarbeitung einer detaillierten Zahlenbasis für die Wirkung der Energiepreisveränderungen kann aber Transparenz über mögliche Auswirkungen geschaffen werden, auf deren Basis dann Strategien entwickelt werden können.

Ein weiteres, ganz anderes Beispiel zum Abschluss

Ein HANSE Consulting-Kunde produzierte in Hallen, die zwar günstig angemietet waren, aber energetisch sehr aufwendig waren. 2019 forderte der Vermieter für die vom Kunden dringend benötigte Verlängerung des Mietvertrages eine inflationsbasierte Index-Kaltmiete. Gemeinsam mit HC wurde ein Alternativvorschlag entwickelt: Verbraucherpreise-basierte Indexmiete ja, aber eine Gegenkomponente sinkender Miete in Abhängigkeit von der Energiepreisentwicklung. Diese kommt zum Tragen, wenn Energiepreise stärker als die allgemeinen Lebenshaltungskosten steigen. Darauf ging der Vermieter im Rahmen der fair geführten Verhandlungen ein – mit aktuell gravierenden Auswirkungen auf die Miete, die für das Unternehmen als Versicherung wirkt – mit einer gewissen Verursachungsgerechtigkeit.

Das Spielfeld für strategische Lösungen ist breit!

Sprechen Sie uns an, mit Ihren Fragen zu Ihrem Energiepreisrisiko. 
Vereinbaren Sie gern einen unverbindlichen Termin mit einem unserer Experten.
Dr. Armin BratzThomas BarthDr. Thomas Zubke - von Thünen