Auch aufgrund des professionellen Liquiditätsmanagements in der Insolvenz und der engen Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter konnte das Handelsunternehmen nach knapp fünf Monaten Betriebsfortführung erfolgreich an einen neuen Eigentümer verkauft werden. Mit einer professionellen Liquiditätsplanung im Insolvenzverfahren wurde eine deutliche Verbesserung für die Gläubiger und eine Fortführung des Unternehmens erreicht.
Die Ausgangslage
Aufgrund einer gescheiterten Refinanzierung musste unser Mandant, ein deutsches Handelsunternehmen, das seine Produkte überwiegend aus Fernost importiert, zum Jahresende 2021 Antrag auf Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens stellen. Wegen langen Liefer- und Transportzeiten sowie nicht planbarer Abrufe, insbesondere von Großkunden muss das Unternehmen einen Großteil der Ware über mehrere Monate vorfinanzieren.
Der vorläufige Insolvenzverwalter beauftragte die HMC Hanse Management Consulting GmbH mit der Erstellung und der laufenden Aktualisierung einer wöchentlichen Liquiditätsplanung zur engen Begleitung und Steuerung der Betriebsfortführung.
Besondere Anforderungen an die Liquiditätsplanung
Eine Liquiditätsplanung ist bei aktueller und konsistenter Datenlage schnell erstellt. Das eingesetzte Softwaretool wird mit den relevanten Daten gefüllt und als Ergebnis erhält man die Liquiditätsplanung. Sind die Datenquellen einmal abgestimmt und das Tool für den spezifischen Fall eingerichtet, lässt sich die Planung mit wenig Aufwand wöchentlich aktualisieren.
Im Rahmen einer Insolvenz sind bei der Planung der Ein- und Auszahlungen weitere wichtige Aspekte zu berücksichtigen, z. B. Ab- und Aussonderungsrechte und häufig geänderte Liefer- und Zahlungsbedingungen. Aufgrund der Insolvenz wurden in unserem Mandat von den Lieferanten nahezu täglich Containerverschiffungen verschoben oder Containerfrachten auf Vorkasse geändert, so dass sich eine stark volatile Daten- und Liquiditätslage ergab.
Die Erstellung der Planung wurde in diesem Mandat weiter dadurch erschwert, dass die aus Finanzbuchhaltung und ERP-System verfügbaren relevanten Daten unzuverlässig und unvollständig waren. Ein wesentlicher Schwachpunkt war dabei, dass nicht alle in der Liquiditätsplanung zu berücksichtigenden Informationen und Daten in Finanzbuchhaltung und ERP-System verwaltet wurden bzw. aktuell und konsistent waren. Kunden- und Lieferantenbestellungen, Frachtrechnungen, Bestelldokumente, Verschiffungsinformationen und weitere wichtige Informationen zum operativen Geschäft wurden dezentral in Excellisten verwaltet, per E-Mail ausgetauscht oder telefonisch mitgeteilt. Geleistete Anzahlungen waren unklar verrechnet worden. Forderungen waren nicht um Gutschriften gemindert worden, Verbindlichkeiten nicht genau mit bereits geleisteten Zahlungen ausgeziffert. Für die viele Container gab es keine eindeutige Zuordnung von Inhalt zu den vorliegenden Kundenbestellungen.
Eine vollständige und konsistente Datenbasis für die Liquiditätsplanung musste Schritt für Schritt erarbeitet und laufend aktualisiert werden.
Der Lösungsansatz
In diesem dynamischen Umfeld musste die Liquidität des Unternehmens sehr genau gesteuert werden, da bereits Terminverschiebungen weniger Container entsprechende Umsatz- und damit Liquiditätsverschiebungen in signifikanter Höhe bedeuteten.
HANSE Consulting hat daher die Liquidität des Unternehmens auf Container- und Kundenebene geplant. Hierfür wurden im ersten Schritt die Daten in den heterogenen Quellen qualifiziert. Mit den für das operative Geschäft verantwortlichen Mitarbeitern und dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter wurden die Anforderungen an die Daten-Qualität und -Zuverlässigkeit abgestimmt. Lag der Kundenauftrag in Schriftform vor oder gab es nur eine mündliche oder E-Mail-Bestellung? War der Versandtermin des Containers von der beauftragten Reederei bestätigt worden? Für die unterschiedlichen Sachverhalte wurden Kriterien erarbeitet, ob und wie sie in die Planung einzugehen hatten. Schließlich wurde der Prozess der Informationsbereitstellung definiert. Die aus den unterschiedlichsten Quellen stammenden Daten wurden dann nach einer systematischen Prüfung in das Planungstool übernommen. Zur späteren Nachverfolgbarkeit wurde konsequent für alle Positionen der Ursprung der Informationen dokumentiert. Ein permanenter Austausch mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter, den Vertriebs- und Einkaufsverantwortlichen sowie der Buchhaltung des Unternehmens diente dazu sicherzustellen, dass während des (vorläufigen) Verfahrens keine Masseunzulänglichkeit eintrat, das Unternehmen jedoch Zahlungen vom Verfahrenskonto leisten konnte, um das operative Geschäft für den parallellaufenden M&A-Prozess aufrechtzuerhalten.
Verkaufsprozess und Ergebnis
Während der Betriebsfortführung wurde seitens des (vorläufigen) Insolvenzverwalters mit mehreren potenziellen Investoren Gespräche geführt, von denen letzten Endes zwei zu detaillierten Angeboten führten.
Um diese im Sinne der Gläubiger bewerten zu können mussten Szenarien in der Liquiditätsplanung zum Vergleich der Masse per Ende Juli 2022 (dem angestrebten Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung) abgebildet werden. Zum einen mussten die Angebote, welche hinsichtlich der Fortführung am bestehenden Standort sowie der Übernahmen der Mitarbeiter deutlich voneinander abwichen, verglichen werden. Zum anderen war zu ermitteln, ob die Abwicklung des Unternehmens im Sinne der Gläubiger ggf. sogar die vorteilhafte Variante sein könnte.
Da sich die Verkaufsverhandlungen über mehrere Wochen hinzogen, mussten die Szenarien mehrfach aktualisiert und den Details der mehrfach angepassten Kaufangebote entsprechend überarbeitet werden.
Darstellung der voraussichtlichen Liquiditätsentwicklung in TEUR per Monatsende
Das Unternehmen konnte, u. a. Dank der engmaschigen Liquiditätsplanung und darauf basierenden Steuerung des Unternehmens, nach knapp fünf Monaten Betriebsfortführung erfolgreich verkauft und an den neuen Eigentümer übergeben werden.
Fazit
Eine Liquiditätsplanung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist von besonderen Herausforderungen geprägt. Neben häufig bestehenden Unzulänglichkeiten bzgl. der Datenaktualität und -konsistenz kann die Erlangung der Kenntnis von der Insolvenz des Unternehmens bei Kunden und Lieferanten zu signifikanten und abrupten Änderungen des Abnahme- und Zahlungsverhaltens sowie der Zahlungskonditionen führen (z. B. Umstellung auf Vorkasse).
Die Kenntnis der insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen und eine enge Zusammenarbeit mit Insolvenzverwalter und Schlüsselmitarbeitern sind entscheidend für eine erfolgreiche Liquiditätsplanung im vorläufigen und eröffneten Insolvenzverfahren. Es kann daher für das Verfahren und eine angestrebte übertragene Sanierung erfolgsentscheidend sein, das Verfahren durch einen erfahrenen Berater begleiten zu lassen, der sich auch mit den besonderen Herausforderungen im Rahmen eines (vorläufigen) Insolvenzverfahrens auskennt.
Denn die Liquiditätsplanung diente allen Stakeholdern, vom Insolvenzverwalter über Ein- und Verkäufer bis zu den Kaufinteressenten als wesentliche Entscheidungsgrundlage.
Sprechen Sie uns an, mit Ihren Fragen zu Ihrer Liquiditätsplanung. Vereinbaren Sie gern einen unverbindlichen Termin mit einem unserer Experten. Dr. Thomas Zubke- von Thünen • Klaas Albrecht
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