StaRUG und Restrukturierung – Möglichkeiten, Risiken und erste Handlungsempfehlungen

Fakt 1:
Das am 01.01.2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) bietet nach Streichung der richterlichen Vertragsbeendigung keine leistungswirtschaftlichen Elemente mehr.

Fakt 2:
Unternehmen, bei denen nur bezüglich der Passiva der Bilanz Restrukturierungbedarf besteht, nicht aber bezüglich der GuV, sind seltene Ausnahmefälle. Diese können z. B. aufgrund singulärer signifikanter Verluste oder Fehlinvestitionen entstehen.

Conclusio:
StaRUG-Verfahren werden ebenfalls seltene Ausnahmefälle sein. Denn wie soll – außer bei den genannten Ausnahmen – ohne zeitgleiche leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen „die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt“ werden (§ 14 Abs. 1 StaRUG)? Und dieses sogar nachhaltig (§ 29 Abs. 1 StaRUG)?

HANSE Consulting und die Kanzlei JOHLKE Niethammer haben Lösungen entwickelt, welche die klassische leistungswirtschaftliche mit der neuen finanzwirtschaftlichen Restrukturierung nach StaRUG für bestandsfähige Unternehmen mit einer Marktberechtigung wirkungskongruent verknüpfen.

Für Sie interessant?
Dann sprechen Sie unsere Experten gerne an:

HANSE ConsultingJOHLKE Niethammer
Dr. Thomas Zubke-von ThünenDr. Jens-Sören Schröder
Stefan KleinerDr. Jörg Grau

Veranstaltung TMA 26. Januar 2021:
„StaRUG – Verpasste Chance vs. Cooles Tool?“

Kernstück des am 01.01.2021 in Kraft getretenen Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl. 2020, Teil I, Nr. 66, S. 3256 ff.) ist die Bereitstellung eines rechtlichen Rahmens für präventive (d. h. insolvenzvermeidende) finanzwirtschaftliche Restrukturierungen bestandsfähiger Unternehmen (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256) – StaRUG).

Aufgrund der „last minute“-Streichung der §§ 51 ff. StaRUG, welche in Anlehnung an § 109 InsO eine Vertragsbeendigung durch das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners vorsah, bietet der präventive Restrukturierungsrahmen in Deutschland – anders als z. B. das sog. „Dutch Scheme“ – keine unmittelbaren leistungswirtschaftlichen Restrukturierungselemente mehr.

Dieses wertet nicht nur der Vorstand der Gesellschaft für Restrukturierungen (TMA) als eine verpasste Chance.

Aber ist damit StaRUG für die Sanierung uninteressant geworden, allenfalls ein Exot innerhalb der außergerichtlichen und gerichtlichen Sanierungs-Toolbox?

Aufgrund erster Praxisfälle sind wir hier anderer Meinung.

HANSE Consulting hat zusammen mit dem Insolvenzverwalter und Mitautor des Hamburger Kommentars für Insolvenzrecht Herrn RA Dr. Jens-Sören Schröder und seinem Partner Herrn RA Dr. Jörg Grau (beide JOHLKE Niethammer) eine Reihe von Online-Vorträgen zu SanInsFoG und StaRUG gehalten. Zwischenzeitlich haben Herr Dr. Jens Grau und Herr Dr. Ulrich Pohlmann (JOHLKE Niethammer) den ersten StaRUG Restrukturierungsplan beim Hamburger Amtsgericht (Az.: 61a RES 1/21) eingereicht. Dieser wurde von den planbetroffenen Gläubigern im Abstimmungstermin am 29.03.2021 angenommen.

Zeit also für ein erstes Zwischenfazit nach einem Quartal StaRUG.

Zugang und Stellhebel des präventiven Restrukturierungsrahmens

Zugangsvoraussetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens i. S. d. § 18 Abs. 2 S. 2 InsO, Verfahrensziel entsprechend deren „nachhaltige Beseitigung“ zwecks Sicher- oder Wiederherstellung von dessen Bestandsfähigkeit (§ 14 Abs. 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 StaRUG).

Für den Zugang zu StaRUG müssen also die gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 InsO „in aller Regel“ auf 24 Monate anzulegenden integrierten Planungsrechnungen des Unternehmens eine drohende Zahlungsunfähigkeit ausweisen. Insbesondere durch die Corona-Krise haben für viele Unternehmer die Unwägbarkeiten über die zukünftige Markt- und Wettbewerbs- sowie die eigene Geschäftsentwicklung stark zugenommen. Auch wenn die unternehmerischen Ziele weiterhin optimistisch sind, ist bei den Planungsparametern eine höhere Vorsicht geboten, um aus einer zukünftig höheren Volatilität folgende höhere finanzielle Belastungsspitzen zu berücksichtigen. Sollten die Planungsrechnungen für Ihr Unternehmen auf dieser Basis zu dem Ergebnis kommen, dass Ihr Unternehmen innerhalb der kommenden 24 Monate drohend zahlungsunfähig werden könnte, hätten Sie die Möglichkeit, den präventiven Restrukturierungsrahmen für Ihr Unternehmen zu nutzen.

Kernstück des präventiven Restrukturierungsrahmens ist der Restrukturierungsplan, „dem … eine begründete Erklärung zu den Aussichten darauf beizufügen [ist], dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt wird und dass die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird“ (§ 14 Abs. 1 StaRUG). Genau wie der Ersteller der unternehmerischen Planungsrechnungen, die zugleich Zugang und Basis des Restrukturierungsplans (vor Maßnahmen) sind, hat der Verfasser des Restrukturierungsplans erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Ersteller, aber auch den Beteiligten der Restrukturierung bewusst sein sollten.

Zu diesen gehören insbesondere:

  1. Die am Ziel des Restrukturierungsplans ausgerichtete Bildung der Gruppen von Planbetroffenen gemäß § 9 StaRUG, die innerhalb von legaldefinierten Gruppen einen vergleichsweise großen Spielraum für die Bildung von weiteren (Unter-) Gruppen ermöglicht – mit den möglichen Zielen etwa der gruppeninternen Überstimmung von gut besicherten, aber kleinen Akkordstörern innerhalb der Gruppe der besicherten Gläubiger gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, oder der gruppenübergreifenden Überstimmung beispielsweise unbesicherter Gläubiger gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG durch eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung gemäß § 26 StaRUG („cross-class-cram-down“).
  2. Die Bewertung der begebenen Sicherheiten, die über die Aufteilung in einen besicherten und einen unbesicherten Teil in den entsprechenden Gruppen erstens die Stimmrechte in den Gruppen und zweitens die Restrukturierungsbeiträge der jeweiligen Gläubiger maßgeblich beeinflussen. Hier ist zusätzlich die Möglichkeit der Einbeziehung gruppeninterner Drittsicherheiten von Bedeutung (§ 2 Abs. 4 StaRUG).
  3. Die Vergleichsrechnung gemäß § 6 Abs. 2 StaRUG, und hier insbesondere die Zugrundelegung von Going Concern- oder von Zerschlagungswerten, letztere nämlich dann, „wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtslos ist“ (§ 6 Abs. 2 S. 3 StaRUG). Diese Einschätzung ist von erheblicher Bedeutung, da sich bei einer Vergleichsrechnung, die ein Regel-Insolvenzverfahren unterstellt, deutlich höhere Sanierungsbeiträge im StaRUG-Verfahren rechtfertigen lassen. Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit innerhalb der nächsten 12 Monate ist nach den Erfahrungen von JOHLKE Niethammer i. d. R. eine übertragende Sanierung im Insolvenzverfahren als Grundlage der Vergleichsrechnung anzunehmen – wegen der ohne Restrukturierungsverfahren häufig entstehenden Insolvenzantragspflicht. Bei einem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit in mehr als 12 Monaten sind anderweitige Möglichkeiten der Fortführung als Grundlage der Vergleichsrechnung näher zu analysieren.

Praxisanwendungen
Lösung einer Stakeholderkrise im Gesellschafterkreis

Häufig wird durch eine verstetigte Krise im Gesellschafterkreis (Familie-Familie, Vater-Sohn, Mutter-Tochter usw.) eine konsensuale Sanierung des Unternehmens zumindest erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Alle nachfolgenden Krisenstadien werden in der Regel durch eine bestehende Stakeholderkrise im Gesellschafterkreis ständig befeuert und sind dadurch nur schwer- oder sogar unlösbar.

Diesbezüglich sind in § 6 Abs. 4 StaRUG eine ganze Palette an möglichen Instrumentarien für eine Lösung einer existenzbedrohenden Stakeholderkrise im Gesellschafterkreis eines drohend zahlungsunfähigen Unternehmens geregelt. Diese reichen von der Möglichkeit eines Debt-Equity-Swaps über eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung bis zum Ausschluss von Bezugsrechten und die Übertragung von Anteilsrechten. Damit ist ein Sqeeze-Out von Gesellschaftern ebenso möglich wie die Übertragung aller Geschäftsanteile an eine (doppelnützige) Verwaltungs- und Verkaufstreuhand.

Lösung Stakeholderkrise im Gläubigerkreis („Akkordstörer“)

Auch dieser Fall ist nicht nur bei HANSE Consulting bestens bekannt: der konsensual zu vereinbarende Sanierungsplan droht an dem gut besicherten Kleingläubiger zu scheitern, der sich einer für eine insolvenzrechtliche Fortführungsprogose notwendigen Stundung oder Prolongation oder einem notwendigen anteiligen, aufgrund seiner Sicherheitenposition bereits reduzierten Forderungsverzicht verweigert, weil für ihn eine Insolvenz im Regelverfahren keinen Forderungsausfall bedeuten würde. Für alle anderen Gläubiger ist es verständlicherweise schwer, einer über die aus unterschiedlichen Sicherheitenpositionen resultierenden Ungleichbehandlung zuzustimmen.

Da sich das Stimmrecht bei Restrukturierungsforderungen nach dem Betrag und bei Absonderungsanwartschaften nach deren Wert richtet ((§ 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StaRUG), sollte eine Überstimmung gut besicherter kleinerer Akkordstörer bei Einigkeit der Hauptgläubiger in den jeweiligen Gruppen in nahezu allen Fällen möglich sein.

Restrukturierung zu hoher Verbindlichkeiten eines „bestandsfähigen“ Unternehmens

Ziel eines StaRUG-Verfahrens ist es, „dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt wird und dass die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicher- oder wiederhergestellt wird“ (§ 14 Abs. 1 StaRUG). Der Begriff der „Bestandsfähigkeit“ ist nicht legaldefiniert. Um am Markt bestehen zu können, muss ein Unternehmen eine Marktberechtigung besitzen und eine marktübliche Rendite erwirtschaften. Damit müssen fortlaufend operativ die finanziellen Ressourcen erwirtschaftet werden können, die investiv notwendig sind, um mit den Wettbewerbern mindestens Schritt zu halten.

Jetzt gab es in der Praxis HANSE Consulting nur sehr wenige Fälle, in der eine notwendige Restrukturierung der bilanziellen Verbindlichkeiten zur Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht durch eine zeitlich vorgelagerte und in den meisten Fällen andauernde Strategie-, Produkt-, Absatz- und/oder Ertragskrise hervorgerufen wurde. Diese Krisen werden durch das StaRUG-Verfahren jedoch nicht gelöst – das Verfahren verschafft Unternehmen in diesen Krisenstadien genau wie Fresh Money „nur“ Zeit. Wird diese Zeit nicht für die Beseitigung der für die drohende Zahlungsunfähigkeit ursächlichen Krisenstadien genutzt, ist die nächste drohende Zahlungsunfähigkeit vorprogrammiert.

Ist das StaRUG-Verfahren also doch nur eine verpasste Chance?


Die Experten von HANSE Consulting und Johlke Niethammer sind überzeugt: bei Einbindung in ein ganzheitliches Restrukturierungskonzept kann ein StaRUG-Verfahren ein hilfreiches und zum Teil notwendiges zusätzliches Instrument der vorinsolvenzlichen Sanierung sein!

§ 6 Abs. 1 S. 3 StaRUG bestimmt hierzu: „Soweit Restrukturierungsmaßnahmen vorgesehen sind, die nicht über den gestaltenden Teil des Plans umgesetzt werden können oder sollen, sind sie im darstellenden Teil gesondert hervorzuheben“.

Um eine zeitgleiche Verbindlichkeit von finanziellen und leistungswirtschaftlichen Restrukturierungsmaßnahmen mit Sanierungsbeiträgen nicht nur der finanzwirtschaftlichen Stakeholder sicherzustellen, ist die vorgelagerte oder parallele Erarbeitung eines „klassischen“ Sanierungskonzepts erforderlich. Dessen Hauptmaßnahmen zur Beseitigung aller wesentlichen Krisenursachen werden mit den Betroffenen wie gewohnt verhandelt und schriftlich vereinbart. Der rechtliche Link zum StaRUG-Verfahren wird z. B. durch die Aufnahme einer aufschiebenden Bedingung in die jeweiligen Vereinbarungen hergestellt, dass das Restrukturierungsgericht den Restrukturierungsplan bestätigt. Auf diese Weise erlangen finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen zeitgleich mit der Bestätigung des Restrukturierungsplans durch das Restrukturierungsgericht rechtliche Verbindlichkeit.

Beispielsweise können

  • Verträge über bessere Preisen und Konditionen mit den Hauptlieferanten abgeschlossen werden, die als einzige aufschiebende Bedingung die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans enthalten und so auch für die Lieferanten die weitere Belieferung des dann nicht mehr drohend zahlungsunfähigen Unternehmens ermöglichen;
  • Sanierungstarifverträge mit Gewerkschaften und Betriebsrat abgeschlossen werden, die als einzige aufschiebende Bedingung die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans enthalten und den Mitarbeitern die „Bestandsfähigkeit“ ihrer Arbeitsplätze aufgrund der parallelenfinanzwirtschaftlichen Sanierung in Aussicht stellen;
  • mit häufig großen Vermietern filialisierender Handelskonzerne oder systemgastronomischer Ketten Mietreduzierungen und/oder vorzeitige Aufhebungen von Mietverträgen unrentabler Standorte vereinbart werden, welche die verbleibenden Standorte auch für die Vermieter „zukunftssicher“ machen und die als einzige aufschiebende Bedingung die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans enthalten.

Auf diese Weise kann ein StaRUG-Restrukturierungsplan i. V. m. den aufschiebend bedingten Vereinbarungen der wesentlichen Maßnahmen eines zuvor oder parallel erstellten Sanierungskonzepts eine für alle Stakeholder vorteilhafte Lösung darstellen, welche die durchaus signifikanten Aufwendungen für die Erstellung von Sanierungskonzept und Restrukturierungsplan durch deutlich geringere Verluste bzw. Verzichte aller Stakeholder gegenüber einem distressed M&A-Prozess oder einem Regel-Insolvenzverfahren mit ggfs. übertragener Sanierung vielfach wieder einspielen kann.

Ihr Ansprechpartner: Dr. Thomas Zubke-von Thünen